/// english version see below the links ///
Der derzeitige Entwurf der Novelle des Universitätsgesetzes birgt verheerende Folgen für viele Studierende sowie die Mitbestimmungsstruktur an den Unis.
Mitte Februar wurden, nach der Begutachtungsfrist, in der es Österreichweit Demonstrationen und knapp 600 Stellungnahmen gab, Änderungen angekündigt. Der erste Text ist eine Stellungnahme auf aktuelle Änderungen, der zweite Textabschnitt (darunter) ist von vor diesen Änderungen.
– – – – – –
Als Bündnis von Studierenden, Lehrenden und an Bildungseinrichtungen tätigen Personen geben wir eine erste kurze Einschätzung zu den Abänderungen im Kontext der UG Novelle ab. Wir stellen einerseits fest, dass der starke Druck, der über die Straße, Protest und Stellungnahmen aufgebaut wurde, erste Wirksamkeit zeigt. Einige Punkte wurden entschärft. So ist es beispielsweise als positiv zu werten, dass nun der Senat weiterhin bei der Wiederbestellung von Rektor:innen Mitsprache haben soll.
Dennoch bleibt im Kern eine Novelle bestehen, in der autoritäre Pädagogik ein zentrales Element der Veränderung darstellt. Berufsverbot und Ausschluss sind weiterhin prominente Aspekte der geplanten Änderung. Insbesondere finden wir das Spiel mit etwas mehr oder weniger ECTS, die zum Ausschluss führen, problematisch.
Wir lehnen grundsätzlich jede Form von Ausschluss aus dem Bildungssystem ab, zumal in dieser Form vor allem Personen in generell unsicheren, prekären oder plötzlich unerwartet auftretenden Situationen am stärksten davon betroffen sein werden. Wir fordern statt Strafen einen Ausbau der Förderungsmöglichkeiten für Studierende. Im Jahr 2021 muss die Antwort eine progressive Bildungspolitik sein und „fördern statt strafen“ lauten- Eine ähnliche Logik wird ebenso bezüglich der Kettenvertragsregelung von Lehrenden angedacht. Ohne dass eine Änderung der Anstellungspolitik von Universitäten absehbar ist, wird weiterhin nach acht Jahren auf Ausschluss und damit praktisch Berufsverbot gesetzt.
Das Festhalten an der Richtlinienkompetenz durch Rektorate lässt weiterhin die Gefahr politischer Einflussnahme zu. Rektorate unterliegen dem direkten Druck durch das Ministerium, Beispielweise aufgrund der Leistungsvereinbarungen. Hierbei wird die Universitätspolitik einen Schritt weiter Richtung des vielfach kritisierten Ungarischen Bildungssystems bewegt.
Wir werden daher unseren Protest intensivieren. Wir lehnen das Vorgehen des Bildungsminsteriums und der türkis/grünen Regierung ab. Mitten in einer globalen Krise, von der Österreich massiv betroffen ist, wird weiterhin mit Brechstange an Bildungspolitik gearbeitet. Dagegen stellen wir uns und setzen uns stattdessen für ein gutes offenes Bildungssytem für alle ein.
In mehreren Städten wird es am 03.03. Demonstrationen und Aktionen geben. Weitere Schritte und Aktionen sind geplant.
– – – – – –
Im Besonderen lehnen wir die folgenden zentralen Punkte der UG-Novelle entscheidend ab, da sie eine Gefährdung des freien Hochschulzugangs für alle Menschen in Österreich darstellen und die Lebenssituation von vielen Studierenden erheblich verschlechtern/verschlechtern können:
– Studierende müssen binnen 2 Jahren 24 ECTS absolvieren. Schaffen sie das nicht, so werden sie von ihrem Studium exmatrikuliert. Diese Regelung gilt für jedes belegte Studium. Das bedeutet, dass ein:e Student:in, der:die zwei Studienfächer studiert, 48 ECTS binnen zwei Studienjahren absolvieren müsste, um weiterstudieren zu dürfen. Eine Exmatrikulation bedeutet eine 10 Jährige Sperre für das betreffende Studium.
– Wird die STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase) nicht innerhalb eines Studienjahres positiv absolviert, erfolgt die Exmatrikulation.
Momentan haben Studierende, die Möglichkeit das Studium nach zwei Jahren Wartezeit nochmals zu beginnen, sollte die STEOP nach dem Maximum an möglichen Prüfungsantritte nicht positiv absolviert worden sein. Das wird mit dem jetzigen Entwurf der UG-Novelle nicht mehr möglich sein.
– Von Seiten des Ministeriums und in der Logik, die durch die gesetzlichen Veränderungen einmal mehr geschaffen wird, gibt es eine bestimmt Vorstellung wie Studierende zu sein haben. Für Personen die eben nicht diesem Muster entsprechen gibt es keinen Platz mehr.
Unzählige Studierende haben aufgrund von psychischen Erkrankungen oder körperlichen Einschränkungen andere Startbedingungen. Die meisten Studierenden arbeiten neben dem Studium, um sich selbst erhalten zu können. Viele müssen Angehörige pflegen, haben Kinder oder andere familiäre Verpflichtungen.
Insbesondere Studierende mit einer Staatsbürger:innenschaftsangehörigkeit außerhalb der EU – sogenannte Drittstaatsangehörige – leben, aufgrund der unzähligen Forderungen, die sie erfüllen müssen, um in Österreich studieren zu können und den seit kurzem erhöhten Studiengebühren in Höhe von EUR 726,72 pro Semester, in finanziell prekären Situationen.
Sollten die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, würde es all jene besonders hart treffen und den bereits enormen Leistungsdruck auf Studierende im Allgemeinen nur noch erhöhen. Die UG Novelle, in ihrer jetzigen Fassung, wird den Zugang zu Hochschulbildung weiter einschränken, so dass nur noch die Personen studieren können, die es sich finanziell leisten können. Studieren darf nicht zum Luxus und Privileg für Wenige werden.
– Mitbestimmungsrechte für neue Studierende sollen eingeschränkt werden. Dem neuen UG nach müssen mindestens 60 ECTS erbracht worden sein, bevor Studierende in Strukturen, wie dem Senat mitbestimmen dürfen.
– Die Entscheidung über die Weiterbestellung von Rektor:innen österreichischer Universitäten für eine zweite Funktionsperiode soll nur noch dem Universitätsrat obliegen.
Bislang wurde diese Entscheidung von dem Universitätsrat und dem Senat der betroffenen Universität getroffen – beide mussten zustimmen. Nennenswert hierbei ist die Tatsache, dass ungefähr die Hälfte der Mitglieder des Universitätsrats direkt von der österreichischen Bundesregierung ernannt wird.
Somit bedeutet diese neue Verordnung einen nicht vorher da gewesenen direkten politischen Eingriff in universitäre Strukturen und Entscheidungsprozesse. Gleichzeitig handelt es sich hierbei auch um eine Beschneidung der in der Verfassung garantierten Freiheit der Lehre, sowie der Weisungsfreiheit von Mitgliedern der Leitungsorgane.
– Geplant ist auch die Verschiebung von weitreichenden Kompetenzen betreffend der Änderungen von Lehrplänen an das Rektorat. Diese Verschiebung bedeutet einen weitgehenden Mitbestimmungsverlust. Über Änderungen in der Lehre entscheidet aktuell eine Gruppe, die zu jeweils einem Drittel aus Studierenden, Lehrenden und Professor:innen besteht. Das Rektorat soll zukünftig ein Vorschlagsrecht erhalten und somit Richtlinien erlassen können. Dabei ist es dem direkten Druck der Regierung und des Ministeriums ausgesetzt. Laut Ministerium sei der Zweck davon, die Wünsche des Ministeriums besser umsetzen zu können. Dem konnten sich, durch die Unabhängigkeit der Entscheidungsstruktur, Universitäten bisher verweigern. Die neue Situation könnte genutzt werden um die Universitäten stärker zum politischen Spielball der Regierenden zu machen.
Innerhalb der Universitäten gibt es nicht erst seit der aktuellen Novelle Probleme mit der Mitbestimmung und direkter Demokratie. So wurde beispielsweise mit der Universitätsgesetznovelle (=UG) 1998 die sogenannte 1/3 Paritität aufgehoben. Das bedeutet, dass bis dahin Entscheidungen im Senat (der Senat ist eine direkt gewähltes Leitungsstruktur innerhalb der Uni) von jeweils einem Drittel Studierender, Professor:innen und wissenschaftlichem Personal getroffen wurden. Des Weiteren führte die UG 2002 führte zu einer Zentralisierung der Entscheidungsstrukturen – die studentische Mitbestimmung wurde dadurch stark eingeschränkt. Das sogenannte allgemeine Personal hat aktuell an der Universität kaum Mitspracherecht – sie stellen im Senat eine Vetreter:in – von (maximal) 24 Personen im Senat. Studierende, haben als größte Personengruppe ebenfalls nur ein Viertel aller Stimmen.
Gegen diese und weitere Änderungen, die sich negativ auf das Bildungssysttem auswirken, verwehren wir uns! Werdet mit uns gegen die geplanten Änderungen und für einen guten Bildungszugang für alle aktiv!
Linksammlung
ÖH: Erwerbtätige Studierende nicht länger benachteiligen (19.09.2020)
ÖH Uni Wien: Studierende stehen zu Semesterstart vor Ungewissheit (01.10.2020)
Gras: Studienrechte werden mit Füßen getreten (27.10.2020)
Studieren – Höher, Schneller oder Rauswurf (28.10.2020)
Gefasste Beschlüsse der ÖH –BV aus der Sitzung (08.11.2020
ÖHs der Österreichischen Kunstunis klar gegen die UG-Änderungen (28.10.2020)
Studienrechtsnovelle Quo Vadis Universitas (28.10.2020)
ÖH Salzburg ad Faßmann: Im Studienrecht Studierende nicht vergessen! (28.10.2020)
Vorschläge zur neuen UG-Novelle gehen in die falsche Richtung (29.10.2020)
Studierende in Notlage: ÖH Uni Wien fordert Mindestunterstützung statt Mindestleistung (10.11.2020)
Österreichische Universitäten als Spielball der Politik (13.11.2020)
Prioritäten richtig setzen: GRAS fordert Verschiebung der UG-Novelle
Petition des VSSTÖ: An: Bundesminister Heinz Faßmann. NEIN zu noch mehr Leistungsdruck im Studium!
ÖCV sieht Klärungsbedarf rund um die Universitätsgesetz-Novelle (16.11.2020)
ÖH Uni Wien: UG-Novelle muss verschoben werden!
VSStÖ: Schwarz-Grün ignoriert Lebensrealitäten von Studierenden (01.12.2020)
JUNOS: UG-Novelle ist Trostpflaster auf klaffender Wunde (01.12.2020)
Die Universitätengewerkschaft in der GÖD lehnt Neufassung von Kettenvertragsregelungen an Universitäten ab (01.12.2020)
ÖH Uni Wien: Bildung brennt! (01.12.2020)
Geplante Machtverschiebung an Unis dürfte verfassungswidrig sein – derStandard.at (20.12.2020)
In particular, we strongly oppose the following central points of the university law as proposed, as they represent a threat to open university access for all people in Austria and can considerably downgrade/worsen the living situation of many students:
– Students must complete 24 ECTS within two academic years. If they fail to do so, they are exmatriculated from their studies. This regulation applies to every course of study taken. This means that students, who study two subjects, would have to complete 48 ECTS within two academic years in order to be allowed to continue studying. Exmatriculation means a lifelong ban for the program in which the student is enrolled.
– If the STEOP (study entry and orientation phase) is not completed positively within an academic year, exmatriculation takes place.
At the moment, students have the option of beginning their studies again after a two-year waiting period if the STEOP has not been passed after the maximum number of possible exams. This will no longer be possible with the current draft of the UG novel.
– On the part of the ministry and the logic created once again by the legal changes, there is a certain idea of how students should be. There is no place for people who do not correspond to this pattern.
Countless students have different starting conditions due to mental illness or physical limitations. Most students work alongside their studies in order to maintain themselves. Many have to care for relatives, have children or other family obligations.
Especially students with a citizenship outside the EU – so-called third country citizens – live in financially precarious situations due to the countless requirements they have to fulfill in order to study in Austria and the recently increased tuition fees of EUR 726.72 per semester.
If these measures were actually implemented, it would hit all of them particularly hard and would only increase the already enormous pressure to perform on students in general. The UG novel, in its current version, will further restrict access to higher education, so that only those who can afford it will be able to study. Studying must not become a luxury and privilege for the few.
– Co-determination rights for new students should be restricted. According to the new UG, at least 60 ECTS must have been earned before students can have a right of participation in structures such as the Senate.
– The decision on the renewal of the positions of the rector of Austrian universities for a second term of office will be the sole responsibility of the University Board.
Until now, this decision was made by the University Board and the Senate of the university – both had to agree. Noteworthy is the fact that about half of the members of the University Board are appointed directly by the Austrian Federal Government.
Thus, this new regulation represents an unprecedented direct political intervention in university structures and decision-making processes. At the same time, it is also a restriction of the freedom of teaching guaranteed in the constitution, as well as of the freedom of members of the university‘ s governing bodies to give instructions.
– There are also plans to transfer far-reaching responsibilities for curriculum changes to the rectorate. This shift means a far-reaching loss of participation. At present, a group consisting of one third each of students, teachers and professors decides on changes in teaching. In the future, the Rectorate would have the right to make proposals and issue guidelines. In doing so, it would be exposed to direct pressure from the government and the ministry. According to the ministry, the purpose of this is to better implement the wishes of the ministry. Due to the independence of the decision-making structure, universities have so far been able to refuse to do so. The new situation could be used to make the universities more of a political pawn in the government’s game.
Within the universities, problems with co-determination and direct democracy have existed not only since the currently planed changes. For example, the 1998 amendment to the University Law (=UG) abolished the so-called 1/3 parity. This means that until then, decisions in the Senate (the Senate is a directly elected leadership structure within the university) were made by one-third each of students, professors and academic staff. In addition, the UG 2002 led to a centralization of decision-making structures – student co-determination was thus severely restricted. The so-called general staff currently has hardly any say at the university – they have one representative in the senate – of (maximum) 24 people in the senate. Students, as the largest group of persons, also have only a quarter of all votes.
Against these and further changes, which affect the education system negatively, we oppose! Become active with us against the planned changes and for a good access to education for all!